2012-01-30, Rheydt, Germany / Nut Cake / Nusskuchen / Bolo de Nozes / Pastel de Nuez

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Meine Mutter, der Nusskuchen und der verlorene Sohn –

Der verlorene Sohn ist kein Verlierer, sondern ein Verlorener. Und wer verloren gegangen ist, den müssen wir suchen, wie das eigene Kind im Warenhaus.

Ihm nachgehen, in jeden Winkel, jede Ecke sehen, sich bücken, auf dem Boden herumkriechen und seinen Namen rufen, bis es gefunden ist.

Das wiedergefundene Schaf bekommt nicht die Rute und der verlorene Sohn keine Moralpredigt, sondern am Ende wird gefeiert.

Freunde, Nachbarn, Familie ­ alle sind dabei, wenn die frohe Botschaft verkündigt wird: Er ist wieder da!

Das Schaf ist wieder bei der Herde, der Groschen wieder im Portemonnaie, der verlorene Sohn wieder im Schoß der Familie.

Heute bricht sich der menschliche Herdentrieb an anderer Stelle Bahn. Die Öffentlichkeit ist dabei, wenn schwarze Schafe gesucht werden.

Es dient der Unterhaltung im Fernsehen und in der Presse. Am Ende muss der Verlierer gehen, der Schuldige die Konsequenzen ziehen.

Weggegangen ­Platz vergangen!

Wer sein Kind im Kaufhaus wiederfindet, verpasst ihm keine Ohrfeige. Wer vor den Trümmern seines Lebens steht, braucht keinen Fußtritt mehr. Freut euch mit mir, sagt der Hirte seiner Herde.

Nicht über die Fehler der anderen, sondern über ihre Rückkehr.

Hier geht es vielmehr ums Suchen. Um die verzweifelte, nervenaufreibende und oft vergebliche Suche nach etwas, was verloren ist.

Bei Lukas ist erst vom verlorenen Schaf die Rede, dann vom verlorenen Groschen, um dann endlich auf den Punkt zu kommen: Gesucht wird der verlorene Sohn.

Der, der alles falsch gemacht hat: den Vater enttäuscht und verlassen, das Erbe durchgebracht, bei den Schweinen gelandet. Ein Versager, ein Loser, ein Verlierer.

Ach ja, und dann war da noch der Nusskuchen und meine Mutter. 250 g Butter, 200 g Zucker, 1 Päckchen Vanillezucker, 4 Eier, 250 g Mehl, 1 Päckchen Backpulver, 1 Prise Salz, 250 g gemahlene Haselnüsse und 125 ml Milch.

Und als die Backform in den Ofen ging dann war da immer eine kleine Tasse mit Nusskuchenteig im Kühlschrank.

Und wenn die Tasse leer war und kein Nusskuchenteig mehr im Kühlschrank war, ja dann, dann war da immer noch meine Mutter.

Meine Mutter war immer da.